Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Der Mieter Müller-Meyer-Schulze lebt seit über 40 Jahren als überzeugter Single in seiner Wohnung. Er hat zwar Familienangehörige, doch die will er nicht mal mehr von hinten sehen. Freundschaften findet er überflüssig, Nachbarn, Fremde und seinen Betreuer lässt er schon gar nicht in sein Reich.
Und dann macht Herr Müller-Meyer-Schulze das, was Menschen gemeinhin irgendwann tun: Er stirbt. Leider hat er es nicht bis auf den Treppenabsatz im Hausflur geschafft. Er stirbt einfach auf seiner Couch, auf der er wach und schlafend seine bisherige Lebenszeit verbrachte.
Da Herr Müller-Meyer-Schulze keinen Kontakt zu anderen Menschen pflegte, bemerkte niemand, dass er verstarb. Insbesondere die Hausverwaltung, die Wohnungseigentümer und der Betreuer gehen von einem weiterhin intakten Mietverhältnis aus. Das Sozialamt zahlt weiterhin die Miete, obwohl der genügsame Mieter seit Wochen leblos auf seinem Sofa liegt.
Nachdem ein paar Wochen vergangen sind, wird die Leiche des Herrn Müller-Meyer-Schulze doch entdeckt und von der Feuerwehr mitgenommen. Der vom Nachlassgericht eingesetzte Nachlassverwalter überlässt der Verwaltung die Schlüssel zur Wohnung mit ungefähr den Worten: „Ausräumen und Instandsetzen können Sie selbst auf eigene Kosten. Ich mache da nichts. Der Verstorbene war überschuldet. Da ist nichts zu holen“
Und spätestens in diesem Augenblick fragt sich der Verwalter, ob das rechtmäßig sein kann. Denn im Normalfall ist es ja so, dass der Mieter, wenn er die Wohnung aufgibt, diese im vertragsgemäß – meist schönheitsrenovierten – Zustand übergeben muss, bzw. für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands ersatzpflichtig ist, und nicht mit den Schäden übergibt, die die wochenlange Lagerung einer Leiche in einer Wohnung mit sich bringen.
Wir nehmen die Antwort auf die Frage vorweg: Ja, das ist rechtmäßig. Denn: Ein Mieter ist nicht verpflichtet, sich in seinem Todesmoment auf den Treppenabsatz des Hausflures zu schleppen, nur damit ein anderer Bewohner sein Ableben schnellstmöglich bemerkt und keine teuren Schäden an der Wohnung entstehen, deren Behebung von der dürftigen Kaution nicht gedeckt sind.
Der verstorbene Mieter hat mit seinem unbemerkten Ableben die Wohnung auch nicht vertragsbrüchig genutzt. Spätestens mit seinem Tod kann er die Wohnung weder vertragsgemäß noch über das im Vertrag geregelte Maß hinaus nutzen. Eine Leiche nutzt keinen Wohnraum mehr, sie wohnt auch nicht mehr in den Räumen. Das alles endet mit dem Tod des Mieters.
Und was ist mit den Erben? Kann man von denen nicht irgendwie Schadensersatz verlangen, weil sie sich nicht um den alten Herrn gekümmert haben und sie Herrn Müller-Meyer-Schulze auf seinem Sofa wochenlang liegen ließen? – Wenn es keine Erben gibt, bzw. diese das Erbe ausschlagen und der daraufhin eingesetzte Nachlassverwalter die Überschuldung geltend macht, ist niemand da, der für die Verpflichtungen einsteht und für die Schulden des Mieters aufkommt. Von wem sollte man Schadensersatz fordern und aus welcher Geldquelle sollte dieser mögliche Anspruch befriedigt werden? – Die Erben sind hier nicht die Lösung, um die Kosten für eine besonders kostenintensive Sanierung zurückzuholen.
Das Risiko der Sanierung einer Wohnung, in der die Leiche des überschuldeten Mieters über einen längeren Zeitraum gelegen hat, trägt somit der Vermieter. Es wird allgemein angenommen, dass der Vermieter dieses Kostenrisiko bei der Kalkulation seines Mietzinses berücksichtigt.
Wir können uns der allgemeinen Rechtsmeinung nur anschließen. Dies gilt insbesondere, wenn der Mieter schon sehr lange in der Wohnung lebte. Dann muss der Vermieter mit gesundem Menschenverstand damit rechnen, dass der Mieter dort auch verstirbt.
Man kann Vermietern und Verwaltern nur raten, den regelmäßigen Kontakt zu den Mietern zu suchen, um sich ein Bild zu machen, wie es den Mietern geht und in welchem Zustand die Mietsache ist. Die Pflege eines guten Mietverhältnisses ist zwar zeit- und arbeitsintensiv, aber ein gutes Mietverhältnis zahlt sich meist am Ende aus und ist keine verschwendete Investition.